Frontex-Leaks: Boot mit Männer, Frauen und Kindern im Mittelmeer ausgesetzt
Frontex-Direktor Fabrice Leggeri unter Druck wegen illegalen Pushbacks (Quelle: Spiegel, 17.03.2022)
Neue Recherchen des SPIEGEL belegen: Frontex übergab griechischen Beamten Flüchtlingsboote mit Kindern. Statt die Menschen in Sicherheit zu bringen, wurden sie in türkische Gewässer zurück geschleppt und ohne Motor ihrem Schicksal überlassen. Ein Frontex-Flugzeug dokumentierte die ganze Aktion aus der Luft.
Belege der illegalen Frontex-Einsätze hat auch die europäische Antibetrugsbehörde OLAF zusammengetragen. Der Bericht ist über 200 Seiten stark, aber bisher streng geheim. Bekannt ist nur: Den Ermittlern liegen detaillierte Beweise vor, dass die Frontex-Chefetage illegale Pushbacks bewusst vertuscht hat.
Fordern Sie jetzt den Bundesrat auf, alle Hebel in Bewegung zu setzen, dass der brisante Bericht der europäischen Antibetrugsbehörde OLAF – vor der Schweizer Abstimmung vom 15. Mai über einen Frontex-Ausbau – veröffentlicht wird. Gleichzeitig braucht es lückenlose Aufklärung darüber, was Schweizer Behörden über Menschenrechtsverletzungen an den EU-Aussengrenzen gewusst haben. Die Pushbacks waren bis in die Chefetage von Frontex bekannt. Deshalb muss sich die Schweiz als Mitgliedstaat für die Entlassung von Frontex-Chef Fabrice Leggeri einsetzen und diese Position auch öffentlich machen. Weil Frontex Grenzbeamt:innen gewähren lässt, gehen sie immer brutaler gegen Flüchtende vor – nicht nur in Griechenland.
Illegaler Pushback in der Ägäis: Live gefilmt von Frontex-Flugzeug
Seit 2020 stoppt die griechische Küstenwache in der Ägäis Boote mit Geflüchteten, darunter viele Syrer:innen. Die Grenzbeamt:innen zerstören die Motoren der Boote, schleppen die Menschen in Richtung türkische Küste zurück und setzen sie dann auf dem Meer aus.
Einer der dramatischen Vorfälle, welchen der SPIEGEL aufgedeckt hat, fand in der Nacht auf den 19. April 2020 statt. Ein Frontex-Flugzeug kreiste über der Ägäis. Die Bilder, die das Überwachungsflugzeug aufnahm, wurden live ins Frontex-Lagezentrum in Warschau übertragen.
Gegen 23 Uhr sahen die Frontex-Mitarbeitenden, dass griechische Grenzbeamt:innen nördlich von Lesbos ein Flüchtlingsboot gestoppt und die Schutzsuchenden an Bord genommen hatten. Nach geltendem Recht hätten sie die Geflüchteten in Sicherheit bringen und anschliessend einen Asylantrag ermöglichen müssen. Stattdessen setzten sie die Migrant:innen wieder auf das Schlauchboot und schleppten sie in Richtung Türkei.
Griechische Beamt:innen im Koordinierungszentrum in Piräus wiesen den Frontex-Piloten an, eine andere Route einzuschlagen, weg vom Schlauchboot. Ob es für die Kursänderung einen besonderen Grund gebe, fragte der Frontex-Teamleiter. »Negativ«, erwiderten die griechischen Behörden.
Um 3.21 Uhr nahm der Frontex-Pilot ein letztes Bild auf. Es zeigte die Flüchtenden allein auf dem Meer, ohne Motor, wie Frontex-Mitarbeitende notierten. Die griechische Küstenwache verliess das Gebiet. Die Menschen hatten Glück: Am nächsten Morgen um 6.32 Uhr wurden Sie von der türkischen Küstenwache gerettet. Unter ihnen waren vier Kinder.
Forderungen an Bundesrat Ueli Maurer
Am 15. Mai 2022 stimmt die Bevölkerung über einen Ausbau der Schweizer Unterstützung von Frontex ab. Im Abstimmungsbüchlein schreibt der Bundesrat zum Frontex-Gesetz: «Die Schweiz ist für eine Nulltoleranzpolitik gegenüber illegalen Zurückweisungen von Asylsuchenden (sogenannte Pushbacks).» Nun muss der Bundesrat diese Haltung unter Beweis stellen. Welche Position die Schweiz an der letzten Frontex-Verwaltungsratssitzung vom 29. März 2022 eingenommen hat, ist bisher nicht bekannt.
Als Unterzeichnende des offenen Briefes fordern wir:
1. Der OLAF-Bericht gehört jetzt an die Öffentlichkeit, damit sich die Stimmbürger:innen ein eigenes Bild über Frontex machen können.
Der Bundesrat muss sich umgehend dafür einsetzen, dass der Bericht des europäischen Antibetrugsamts OLAF über die Verfehlungen von Frontex veröffentlicht wird. Dies muss vor der Abstimmung über das Frontex-Gesetz vom 15. Mai geschehen, damit sich die Stimmbürger:innen eine eigene Meinung bilden können. Zumal die Frage, inwiefern sich Frontex wiederholt Menschenrechtsverletzungen zu Schulden kommen liess und konkret an Pushbacks beteiligt war, ein umstrittener Punkt im Abstimmungskampf ist.
2. Die Schweiz muss sich für die Entlassung von Frontex-Chef Leggeri aussprechen.
Der Bundesrat muss sich angesichts der neuen Beweise für die Beteiligung von Frontex an Pushbacks und weiteren gravierenden Verfehlungen umgehend und öffentlich für eine Entlassung von Frontex-Chef Fabrice Leggeri aussprechen. Die Schweiz kann damit ein unmissverständliches Signal senden, dass Menschenrechtsverletzungen durch Frontex nicht geduldet und Vertuschungen kompromisslos geahndet werden.
Über die Entlassung von Frontex-Chef Fabrice Leggeri kann nur der Frontex-Verwaltungsrat entscheiden, in dem mit Marco Benz, Chef Grundlagen, Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit, und Medea Meier, Chefin Sektion Schengen, auch die Schweiz vertreten ist. Der Rat tagt geheim. Die nächste Sitzung ist für 29. März 2022 geplant. Aus geleakten internen Sitzungsprotokollen geht hervor, dass verschiedene Staaten Leggeri bisher geschützt haben. Die Position der Schweiz ist bisher nicht bekannt.
3. Der Bundesrat muss für eine lückenlose Aufklärung sorgen, was die Schweiz über Pushbacks mit Beteiligung von Frontex wusste und verschwiegen hat.
Die dokumentierten Menschenrechtsverletzungen unter Beteiligung von Frontex verlangen eine lückenlose Aufklärung darüber, was die Schweizer Behörden über illegale Pushbacks gewusst haben. Die Frage stellt sich, ob die beiden Schweizer Vertreter:innen im Frontex-Verwaltungsrat, Medea Meier und Marco Benz, Bundesrat, Behörden und Parlament über die illegalen Pushbacks informiert haben, wann dies erfolgte und in welchem Umfang.
Eine interne Arbeitsgruppe des Frontex-Verwaltungsrates konnte angeblich keine Beweise für die Pushbacks finden. Gemäss SPIEGEL lassen die Sitzungsprotokolle erahnen, dass die Gruppe gar nicht an einer kritischen Aufarbeitung interessiert war. Ob die Schweizer Vertretung, Medea Meier und Marco Benz, Teil der Arbeitsgruppe waren, ist bisher nicht bekannt. Offen bleibt auch die Frage, ob und in welcher Form der Bundesrat, Behörden und parlamentarische Kommissionen über diese interne Untersuchung und die Resultate informiert wurden.
Beweisbilder des illegalen Frontex-Einsatzes
1. In der Nacht vom 19. April 2020 überwacht ein Frontex-Flugzeug ein Boot mit Flüchtenden in der Ägäis.
2. Die griechische Küstenwache nähert sich dem Boot.
3. Die Flüchtenden wurden von der Küstenwache an Bord geholt und sollten das Recht haben, einen Antrag auf Asyl zu stellen.
4. Die Küstenwache zwingt die Asylsuchenden zurück auf das Schlauchboot.
5. Das Boot mit Flüchtenden wird weiter in Richtung Türkei gezogen.
6. Das Boot wird auf dem Meer seinem Schicksal überlassen. Ohne funktionierenden Motor, wie das Frontex-Flugzeug meldet. Dann wurde das Flugzeug angewiesen abzudrehen.
Vielen Dank für Ihre Unterstützung
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NEIN zum Frontex-Gesetz
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